Ansgarspiegel

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Monatsspruch Juli/August

Du sollst dich nicht der Mehrheit anschließen, wenn sie im Unrecht ist.

Exodus 23, 2


Ja, klar. Ist doch selbstverständlich! Wer im Unrecht ist, wird doch von mir nicht unterstützt! Auf keinen Fall. Sicher nicht. Ich doch nicht!

Das ist zumindest mein erster Gedanke beim Lesen der Gesetzmäßigkeit, die im 2ten Buch Mose zu finden ist. Diese Gesetze, die im Alten Testament nicht ganz zufällig den 10 Geboten aus dem Neuen Testament ähneln. Dieser Ausschnitt steht unter der Überschrift „Gerechtigkeit vor Gericht“, passt also zum Gebot: „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden…“ Abgehakt, das mach ich, da bin ich sauber.

Aber horche ich tief in mich hinein, so muss ich zugeben, dass das bei weitem nicht so einfach ist, wie es scheint! Die Mehrheit ist ein ganz schön harter Gegner, wenn man sie gegen sich hat: Ist der Mensch doch ein soziales Wesen, das Gemeinschaft und Zusammenhalt braucht, um überlebensfähig zu sein. Heute vielleicht nicht mehr so sehr im Sinn der Nahrungsversorgung, aber immer noch im Sinne eines sozialen Netzwerks, das einen körperlich und seelisch unterstützt. Bringe ich mich also in eine Situation, wo die Mehrheit in meinem Netzwerk sich von mir abwenden könnte?

Meiner Meinung nach ist auch das existenziell – isoliert und ohne Netzwerk ist das Leben viel schwerer schaffbar oder erstrebenswert. Also schütze ich mein Netzwerk und handle entsprechend. Auch, indem ich mich in dieses Netz integriere und schaue, was die Mehrheit will.

Und was, wenn nun das, was die Mehrheit anstrebt, unrecht ist? Fangen wir klein an: Beim Familientreffen wäre es schön, nach dem Essen einen Spaziergang zu machen. Der Himmel ist grau, die Mehrheit sagt, dass es bestimmt regnen wird. Der Wetterbericht sagt was anderes. Der Grund wird sein, dass man mit vollem Magen lieber ausruhen will. Soll man dagegenhalten und einen Disput riskieren?

Denken wir größer – weil gerade brandaktuell und brandgefährlich: In einem Restaurant auf Sylt feiern wir ausgelassen mit netten Leuten. Auf ein lustiges Lied haben diese einen neuen Text gedichtet, der sich super auf die Melodie singen lässt. Nur leider ist dieser Text eine menschenverachtende rassistische Naziparole! Meine Grenze ist da in jedem Falle überschritten. Aber viele von denen, die es gehört haben, haben wahrscheinlich lieber nichts gesagt, um nicht ausgegrenzt zu werden. Die Situation war in den 1930er Jahren sicherlich nicht viel anders!

Schauen wir uns also nochmal das Gesetz von oben an und Hand aufs Herz: Wann wenden wir uns gegen die Mehrheit, und wann noch nicht?

 

Ihr Kirchengemeinderat Lars Eifler

 

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